Montag, 10. März 2014

...wenn eine Busfahrt alle Vorurteile über den Haufen wirft



Hallo zusammen,
 
wie ich lesen konnte habt ihr in Deutschland den Winter wohl auch endgültig hinter euch gelassen. Hier sind nach wie vor Stimmung und Wetter sehr sonnig. So langsam bekomme ich es hin festere Strukturen in meinen Alltag zu integrieren, um so dem Chaos ein wenig entgegenzuwirken. Trotzdem entdecke ich immer wieder Kuriositäten, wie Kuhherden unter Brücken oder geschätzte 17 Kinder in einer einzelnen Rikscha und könnte mir gut vorstellen, dass Indien auch nach mehreren Monaten nicht damit aufhören wird mich immer wieder aufs Neue zu überraschen.

Ältere Dame im traditionellen Sari macht Bilder mit ihrem Smartphone
In erster Linie möchte ich euch heute von einem Trip erzählen, welchen ich dieses Wochenende mit meinem Department und ca. 30 freiwilligen Helfern von Bosch unternommen habe. Die Aktion fand statt im Rahmen eines Projekts, welches sich „Lab in a Box“ (zu Deutsch „Labor in einer Box“) nennt und zum Ziel hat Kinder aus entlegenen, ländlichen Gebieten einen Zugang zu spannenden Unterrichtsmaterialien zu bieten. So gibt es je nach Alter der Kinder und dem Fach unterschiedliche Boxen, welche den Kindern erstmal Spaß am Lernen machen sollen, um dadurch Neugierde und Kreativität wecken sollen.



Die Freiwilligen von Bosch werden in Zukunft geschult, wie die Materialen in diesen Boxen eingesetzt und erklärt werden können. Ziel des Ausflugs war es, die Initiatoren dieses Projekts mit Namen „Agastya Foundation“ zu besuchen und deren „Zentrale“ zu sehen. Diese Stiftung hat im benachbarten Bundesstaat „Andhra Pradesh“ ihren Sitz und einen ganzen Campus mit Planetarium, Laboratorium und unzählige kleine und große Versuche aufgebaut, welcher täglich von bis zu 500 Kindern besucht wird. Auch die „Boschler“  hatten an diesem Campus unheimlich viel Spaß…
Für mich stellte der Ausflug die erste Aktivität außerhalb Bangalores dar, sodass ich mich sehr darüber freute mal etwas „rauszukommen“ und auch andere Gebiete Südindiens sehen zu können.
Das absolute Highlight dieses Trips war aber ohne Zweifel die Gruppe Inder mit der ich unterwegs sein konnte. Die Stimmung war unglaublich gut und ich kann mich kaum daran erinnern, wann ich das letzte Mal innerhalb von 2 Tagen so viel gelacht habe und gleichzeitig so oft komplett überrumpelt worden bin.

Indischer Nagelstuhl...

...habs unbeschadet überstanden

Das Ganze fing schon während der Busfahrt an, während der trotz 4-stündiger Fahrtzeit und dem typischen Chaos auf den indischen Straßen einfach pausenlos gesungen und getanzt wurde.



Nachdem wir in dem Guesthouse angekommen sind und etwas gegessen hatten stand ein „Cultural Programme“ an, welches zunächst auch ganz harmlos aussah. Die 4 bestellten Männer trommelten gemütlich los, und ich ahnte noch nichts Böses, bis das Trommeln immer intensiver wurde, alle um mich herum plötzlich aufsprangen und wie verrückt zu springen und zu tanzen begannen. Es versteht sich von selbst, dass ich keine Chance hatte mich bei dem Ganzen im Hintergrund zu halten. Ich gab mir zwar alle Mühe, musste dann aber doch eingestehen, dass es sich bei den Indern abermals um ein Volk handelt, dem wir Deutschen sowohl musikalisch als auch tänzerisch chancenlos unterlegen sind. Daran konnten auch meine Bemühungen im anschließenden „Stockkampftanz“ nichts ändern. Immerhin - niemand wurde ernsthaft verletzt.




Wo der Tiger herkam und was der hier machte konnte mir auch keiner erklären...

Zur Erholung - und weil offensichtlich an dem Tag noch nicht genug gesungen wurde – wurden schließlich der Reihe nach Volkslieder zum Besten gegeben. Und bevor ich mich unbemerkt hinter einer Säule hätte verstecken können wurde ich auch schon nach vorne geschoben und hatte ein Mikrofon in der Hand. „Hoffentlich versteht hier keiner Deutsch“ dachte ich mir noch und stimmte ein Lied von den Ärzten an…



Nach einer wenig erholsamen Nacht in einem 4er Zimmer mit 2 indischen Sägewerken klingelte am nächsten Morgen um 6 der Wecker und es ging auf zu einem 2-stündigen „Herbal-Walk“ (Kräuter-Spaziergang) in die freie Natur, was aber nach einer Woche Bangalore doch sehr angenehm war.
Anschließend begann dann schließlich der vermeidlich offiziellere Teil unserer Reise. Es stellte sich aber heraus, dass das Ziel der Agastya-Leute in erster Linie darin bestand einige Versuche mit den Bosch-Leuten auszuprobieren. So bastelten wir zum Beispiel Fallschirme aus Zeitungen für rohe Eier, die wir dann von Dach warfen oder versuchten mit geschlossenen Augen und nur Tiergeräusche von uns gebend den „Rest der Herde“ ausfindig zu machen.
Auch der Campus mit den zahlreichen Experimenten wurde von uns aufs Gründlichste untersucht, bevor es nach einer kleineren Baumpflanzaktion wieder in Richtung Bangalore ging. Während ich dann doch von Wochenende etwas platt war, hatten die Inder offensichtlich noch genug Power wieder lauthals das erste Lied anzustimmen, bevor überhaupt die Bustür ganz zu war…







Insgesamt war es ein absolut spannendes und beeindruckendes Erlebnis, weniger wegen dem Ausflugsziel, als vielmehr wegen der Möglichkeit so viele Inder kennenzulernen und auf einmal mittendrin sein zu können. Eine solche Gruppendynamik und die positive Stimmung der Leute habe ich so selten erlebt. Das war für mich insofern unheimlich spannend, da rein gar nichts von sozialen Spannungen aufgrund der geographischen Herkunft, irgendeiner „Kaste“ oder des Geschlechts zu spüren war. Vielmehr war einfach ein bunter Haufen alter und junger Frauen und Männer sowie hochqualifizierter Ingenieure und einfacher Fabrikarbeiter unterwegs, hatten Spaß und das gemeinsame Bedürfnis sich freiwillig für wenig privilegierte Kinder einzusetzen.
Ein Trip, der mich sicherlich noch einige Zeit begleiten wird und (zum Glück) viele meiner „Vorurteile“ direkt in der ersten Woche über den Haufen geworfen hat.

So, das wars an der Stelle von mir. Danke für euer Interesse und herzliche Grüße aus Indien,
Claudius  









Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen