Montag, 24. März 2014

Durch Bildung aus der Armut - Berufsausbildung als CSR-Ansatz

Hallo zusammen,

Ich grüße euch herzlich aus dem ziemlich heißen Süden Indiens. Es geht mir nach wie vor sehr gut und so langsam bildet sich vorsichtig trotz immer noch chaotischer Rahmenbedingungen inzwischen so etwas wie ein Alltag heraus.

Neulich ist mir aufgefallen, dass ich bisher noch nicht genauer berichtet habe, was ich hier bei Bosch in Zukunft machen werde und welche Strategie im Zuge der CSR-Aktivitäten vor Ort gefahren wird.
Im Prinzip lassen sich die Aktivitäten des CSR bei Bosch Indien in die beiden Kernbereiche Gesundheit und „Capacitiy Buidling“ einteilen. Zielgruppe dieser Arbeitsbereiche sind in erster Linie Kinder, Jugendliche und junge Erwachsende aus sogenannten „unterprivilegierten Gruppen“. Diese Gruppe ist sozial stark benachteiligt und hat häufig einen eingeschränkten bis gar keinen Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung oder weiterführender Bildung. Trotz ordentlicher Wachstumsraten der indischen Wirtschaft muss in diesem Zusammenhang stets im Hinterkopf behalten werden, wie weit verbreitet Armut, Slumbildung und Hunger nach wie vor sind. So hat immer noch etwa ein Drittel aller Inder nicht einmal einen Dollar pro Tag zur Verfügung und befindet sich somit unter der absoluten Armutsschwelle. Von weniger als 2 Dollar pro Tagen leben unglaubliche 840 Millionen Menschen. Somit befinden sich in Indien mehr Menschen in Armut als in allen afrikanischen Ländern zusammen!!

Einen Beitrag zur Bekämpfung der sich daraus ergebenden Probleme versucht Bosch durch das „Vocational Training Programme“ zu leisten. Hierbei sollen junge „unterprivilegierte“ Erwachsene durch die Teilnahme an einer verkürzten Berufsausbildung auf dem Weg von den Straßen hin zu einem geregelten Beruf unterstützt und geführt werden. Die Jugendlichen bekommen im Zuge dieses Programms so etwas wie einen „Crashkurs“ der auf 2 Monate angelegt ist. Dabei werden sowohl allgemeine „Softskills“ unterrichtet als auch die für einen bestimmten Beruf notwendigen Grundkenntnisse vermittelt. Darüber hinaus sollen den Absolventen im weiteren Verlauf der Ausbildung Praktika bei Unternehmen vermittelt werden, welche optimalerweise in einer Festanstellung enden sollen.

Dieses Programm wurde bei Bosch letztes Jahr in Angriff genommen, kam allerdings kaum über erste Pilotprojekte hinaus. Nun sollen diese Bemühungen evaluiert und ausgebaut werden. Notwendig hierfür sind allerdings zahlreiche Informationen von den beteiligten Parteien, wie den Ausbildungspartnern, den potentiellen Arbeitgebern der Absolventen, öffentlichen Behörden und der Zielgruppe selbst welche nun einzuholen sind. Schließlich müssen die Jugendlichen zunächst erreicht und für das Programm gewonnen werden. Anschließend müssen Unterrichtsmaterialien, Lehrer und die notwendige Infrastruktur zur Verfügung gestellt und Arbeitsgeber für die Absolventen gefunden werden. Darüber hinaus müssen die Lehrpläne der Kurse auch mit den Unternehmen abgesprochen und deren Erwartungen mit einbezogen werden, um die Chancen auf eine Anstellung der Teilnehmenden zu erhöhen. Dem bzw. der nachhaltigkeitsinteressierten Leser_in dürften spätestens jetzt Begriffe wie „Multi-Stakeholder Prozesse“ oder gar die „Transdisziplinarität“ einfallen... =)

Inwiefern sich diese Ansätze zur Optimierung und Ausdehnung des „Vocational Training Programms“ eignen bin ich selbst sehr gespannt. Auf jeden Fall sehe ich in diesem Programm enormes Potential viele junge Menschen zu erreichen und deren Perspektive durch den „Hebel“ Bildung langfristig und nachhaltig zu verbessern. Insbesondere in einem Land wie Indien, welches nach wie vor enorm von sozialer Ungleichheit, massiver Armut und der Diskriminierung von Frauen geprägt ist erscheint der Ansatzpunkt „Bildung“ als vielversprechender, wenn nicht sogar als einziger Ausweg aus diesem Teufelskreis. 

Was ich nun allerdings genau jeden Tag mache und inwiefern ich an diesem Prozess mitarbeite werde ich dann in den nächsten Wochen berichten.
Im weiteren Verlauf gibt’s jetzt noch einige Bilder aus Mysore, der „kulturellen Hauptstadt“ dieser Region, welche ich im Zuge eines Besuches eines „Vocational Training Centers“ besucht und in der ich anschließend das letzte Wochenende verbracht habe.

An dieser Stelle erst einmal Danke für euer Interesse und über Rückfragen oder Anmerkungen würde ich mich sehr freuen.

Beste Grüße,
Claudius 


Neben dem Vocational Training Center gabs noch einen Kindergarten, den ich besuchen durfte...
Bilder vom Markt in Mysore...
Unglaublich lebendig und farbenfroh

Am nächsten Morgen bin ich wie die Mönche seit Jahrhunderten über 1000 Stufen auf einen Berg gestiegen, um dort einen Tempel zu besuchen.
Indische Raststation: Dieser nette Mann saß auf einmal unterwegs am Rand und hat eine Art Buttermilch an die "Pilger" ausgeschenkt

Oben angekommen wartete dann der Chamundeshwari Tempel mit seinem 60 Meter hohen Eingangtor
Außerdem hab ich unterwegs noch diesen Dämon...
...und "Nandi" das Reittier des Gottes Shiva getroffen





Affen gabs auch zu bestaunen

Mysore ist vor allem aufgrund dieses Palastes berühmt, der den Regierungssitz der Maharajas darstellte und doch ziemlich beeindruckend war



Abends wurde es dann aber irgendwann fast schon etwas kitischig...
...insbesondere nach Sonnenuntergang, als auch noch unzählige Glühbirnen angingen un der Palast zu leuchten began...














Montag, 17. März 2014

Happy Holi...




... was so passiert, wenn man zum Holi-Fest zum falschen Moment bei Bosch durchs falsche Großraumbüro läuft - Bin ja mal gespannt, ob die Reinigungskräfte bis morgen die Büros und die ganzen Arbeitsplätze nach der Farbenschlachte heute wieder sauber bekommen…





Farbenfreudige Grüße aus Bangalore, 
Claudius

Montag, 10. März 2014

...wenn eine Busfahrt alle Vorurteile über den Haufen wirft



Hallo zusammen,
 
wie ich lesen konnte habt ihr in Deutschland den Winter wohl auch endgültig hinter euch gelassen. Hier sind nach wie vor Stimmung und Wetter sehr sonnig. So langsam bekomme ich es hin festere Strukturen in meinen Alltag zu integrieren, um so dem Chaos ein wenig entgegenzuwirken. Trotzdem entdecke ich immer wieder Kuriositäten, wie Kuhherden unter Brücken oder geschätzte 17 Kinder in einer einzelnen Rikscha und könnte mir gut vorstellen, dass Indien auch nach mehreren Monaten nicht damit aufhören wird mich immer wieder aufs Neue zu überraschen.

Ältere Dame im traditionellen Sari macht Bilder mit ihrem Smartphone
In erster Linie möchte ich euch heute von einem Trip erzählen, welchen ich dieses Wochenende mit meinem Department und ca. 30 freiwilligen Helfern von Bosch unternommen habe. Die Aktion fand statt im Rahmen eines Projekts, welches sich „Lab in a Box“ (zu Deutsch „Labor in einer Box“) nennt und zum Ziel hat Kinder aus entlegenen, ländlichen Gebieten einen Zugang zu spannenden Unterrichtsmaterialien zu bieten. So gibt es je nach Alter der Kinder und dem Fach unterschiedliche Boxen, welche den Kindern erstmal Spaß am Lernen machen sollen, um dadurch Neugierde und Kreativität wecken sollen.



Die Freiwilligen von Bosch werden in Zukunft geschult, wie die Materialen in diesen Boxen eingesetzt und erklärt werden können. Ziel des Ausflugs war es, die Initiatoren dieses Projekts mit Namen „Agastya Foundation“ zu besuchen und deren „Zentrale“ zu sehen. Diese Stiftung hat im benachbarten Bundesstaat „Andhra Pradesh“ ihren Sitz und einen ganzen Campus mit Planetarium, Laboratorium und unzählige kleine und große Versuche aufgebaut, welcher täglich von bis zu 500 Kindern besucht wird. Auch die „Boschler“  hatten an diesem Campus unheimlich viel Spaß…
Für mich stellte der Ausflug die erste Aktivität außerhalb Bangalores dar, sodass ich mich sehr darüber freute mal etwas „rauszukommen“ und auch andere Gebiete Südindiens sehen zu können.
Das absolute Highlight dieses Trips war aber ohne Zweifel die Gruppe Inder mit der ich unterwegs sein konnte. Die Stimmung war unglaublich gut und ich kann mich kaum daran erinnern, wann ich das letzte Mal innerhalb von 2 Tagen so viel gelacht habe und gleichzeitig so oft komplett überrumpelt worden bin.

Indischer Nagelstuhl...

...habs unbeschadet überstanden

Das Ganze fing schon während der Busfahrt an, während der trotz 4-stündiger Fahrtzeit und dem typischen Chaos auf den indischen Straßen einfach pausenlos gesungen und getanzt wurde.



Nachdem wir in dem Guesthouse angekommen sind und etwas gegessen hatten stand ein „Cultural Programme“ an, welches zunächst auch ganz harmlos aussah. Die 4 bestellten Männer trommelten gemütlich los, und ich ahnte noch nichts Böses, bis das Trommeln immer intensiver wurde, alle um mich herum plötzlich aufsprangen und wie verrückt zu springen und zu tanzen begannen. Es versteht sich von selbst, dass ich keine Chance hatte mich bei dem Ganzen im Hintergrund zu halten. Ich gab mir zwar alle Mühe, musste dann aber doch eingestehen, dass es sich bei den Indern abermals um ein Volk handelt, dem wir Deutschen sowohl musikalisch als auch tänzerisch chancenlos unterlegen sind. Daran konnten auch meine Bemühungen im anschließenden „Stockkampftanz“ nichts ändern. Immerhin - niemand wurde ernsthaft verletzt.




Wo der Tiger herkam und was der hier machte konnte mir auch keiner erklären...

Zur Erholung - und weil offensichtlich an dem Tag noch nicht genug gesungen wurde – wurden schließlich der Reihe nach Volkslieder zum Besten gegeben. Und bevor ich mich unbemerkt hinter einer Säule hätte verstecken können wurde ich auch schon nach vorne geschoben und hatte ein Mikrofon in der Hand. „Hoffentlich versteht hier keiner Deutsch“ dachte ich mir noch und stimmte ein Lied von den Ärzten an…



Nach einer wenig erholsamen Nacht in einem 4er Zimmer mit 2 indischen Sägewerken klingelte am nächsten Morgen um 6 der Wecker und es ging auf zu einem 2-stündigen „Herbal-Walk“ (Kräuter-Spaziergang) in die freie Natur, was aber nach einer Woche Bangalore doch sehr angenehm war.
Anschließend begann dann schließlich der vermeidlich offiziellere Teil unserer Reise. Es stellte sich aber heraus, dass das Ziel der Agastya-Leute in erster Linie darin bestand einige Versuche mit den Bosch-Leuten auszuprobieren. So bastelten wir zum Beispiel Fallschirme aus Zeitungen für rohe Eier, die wir dann von Dach warfen oder versuchten mit geschlossenen Augen und nur Tiergeräusche von uns gebend den „Rest der Herde“ ausfindig zu machen.
Auch der Campus mit den zahlreichen Experimenten wurde von uns aufs Gründlichste untersucht, bevor es nach einer kleineren Baumpflanzaktion wieder in Richtung Bangalore ging. Während ich dann doch von Wochenende etwas platt war, hatten die Inder offensichtlich noch genug Power wieder lauthals das erste Lied anzustimmen, bevor überhaupt die Bustür ganz zu war…







Insgesamt war es ein absolut spannendes und beeindruckendes Erlebnis, weniger wegen dem Ausflugsziel, als vielmehr wegen der Möglichkeit so viele Inder kennenzulernen und auf einmal mittendrin sein zu können. Eine solche Gruppendynamik und die positive Stimmung der Leute habe ich so selten erlebt. Das war für mich insofern unheimlich spannend, da rein gar nichts von sozialen Spannungen aufgrund der geographischen Herkunft, irgendeiner „Kaste“ oder des Geschlechts zu spüren war. Vielmehr war einfach ein bunter Haufen alter und junger Frauen und Männer sowie hochqualifizierter Ingenieure und einfacher Fabrikarbeiter unterwegs, hatten Spaß und das gemeinsame Bedürfnis sich freiwillig für wenig privilegierte Kinder einzusetzen.
Ein Trip, der mich sicherlich noch einige Zeit begleiten wird und (zum Glück) viele meiner „Vorurteile“ direkt in der ersten Woche über den Haufen geworfen hat.

So, das wars an der Stelle von mir. Danke für euer Interesse und herzliche Grüße aus Indien,
Claudius