Hallo zusammen,
wie ich lesen konnte habt ihr in Deutschland den Winter wohl
auch endgültig hinter euch gelassen. Hier sind nach wie vor Stimmung und Wetter
sehr sonnig. So langsam bekomme ich es hin festere Strukturen in meinen Alltag zu
integrieren, um so dem Chaos ein wenig entgegenzuwirken. Trotzdem entdecke ich
immer wieder Kuriositäten, wie Kuhherden unter Brücken oder geschätzte 17
Kinder in einer einzelnen Rikscha und könnte mir gut vorstellen, dass Indien
auch nach mehreren Monaten nicht damit aufhören wird mich immer wieder aufs
Neue zu überraschen.
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Ältere Dame im traditionellen Sari macht Bilder mit ihrem Smartphone |
In erster Linie möchte ich euch heute von einem Trip
erzählen, welchen ich dieses Wochenende mit meinem Department und ca. 30
freiwilligen Helfern von Bosch unternommen habe. Die Aktion fand statt im
Rahmen eines Projekts, welches sich „Lab in a Box“ (zu Deutsch „Labor in einer
Box“) nennt und zum Ziel hat Kinder aus entlegenen, ländlichen Gebieten einen
Zugang zu spannenden Unterrichtsmaterialien zu bieten. So gibt es je nach Alter
der Kinder und dem Fach unterschiedliche Boxen, welche den Kindern erstmal Spaß
am Lernen machen sollen, um dadurch Neugierde und Kreativität wecken sollen.
Die Freiwilligen von Bosch werden in Zukunft geschult, wie die
Materialen in diesen Boxen eingesetzt und erklärt werden können. Ziel des
Ausflugs war es, die Initiatoren dieses Projekts mit Namen „Agastya Foundation“
zu besuchen und deren „Zentrale“ zu sehen. Diese Stiftung hat im benachbarten
Bundesstaat „Andhra Pradesh“ ihren Sitz und einen ganzen Campus mit Planetarium,
Laboratorium und unzählige kleine und große Versuche aufgebaut, welcher täglich
von bis zu 500 Kindern besucht wird. Auch die „Boschler“ hatten an diesem Campus unheimlich viel Spaß…
Für mich stellte der Ausflug die erste Aktivität außerhalb
Bangalores dar, sodass ich mich sehr darüber freute mal etwas „rauszukommen“
und auch andere Gebiete Südindiens sehen zu können.
Das absolute Highlight dieses Trips war aber ohne Zweifel
die Gruppe Inder mit der ich unterwegs sein konnte. Die Stimmung war
unglaublich gut und ich kann mich kaum daran erinnern, wann ich das letzte Mal
innerhalb von 2 Tagen so viel gelacht habe und gleichzeitig so oft komplett
überrumpelt worden bin.
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Indischer Nagelstuhl... |
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...habs unbeschadet überstanden |
Das Ganze fing schon während der Busfahrt an, während der
trotz 4-stündiger Fahrtzeit und dem typischen Chaos auf den indischen Straßen
einfach pausenlos gesungen und getanzt wurde.
Nachdem wir in dem Guesthouse angekommen sind
und etwas gegessen hatten stand ein „Cultural Programme“ an, welches zunächst
auch ganz harmlos aussah. Die 4 bestellten Männer trommelten gemütlich los, und
ich ahnte noch nichts Böses, bis das Trommeln immer intensiver wurde, alle um
mich herum plötzlich aufsprangen und wie verrückt zu springen und zu tanzen
begannen. Es versteht sich von selbst, dass ich keine Chance hatte mich bei dem
Ganzen im Hintergrund zu halten. Ich gab mir zwar alle Mühe, musste dann aber
doch eingestehen, dass es sich bei den Indern abermals um ein Volk handelt, dem
wir Deutschen sowohl musikalisch als auch tänzerisch chancenlos unterlegen
sind. Daran konnten auch meine Bemühungen im anschließenden „Stockkampftanz“
nichts ändern. Immerhin - niemand wurde ernsthaft verletzt.
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Wo der Tiger herkam und was der hier machte konnte mir auch keiner erklären... |
Zur Erholung - und weil offensichtlich an dem Tag noch nicht
genug gesungen wurde – wurden schließlich der Reihe nach Volkslieder zum Besten
gegeben. Und bevor ich mich unbemerkt hinter einer Säule hätte verstecken
können wurde ich auch schon nach vorne geschoben und hatte ein Mikrofon in der
Hand. „Hoffentlich versteht hier keiner Deutsch“ dachte ich mir noch und
stimmte ein Lied von den Ärzten an…
Nach einer wenig erholsamen Nacht in einem 4er Zimmer mit 2
indischen Sägewerken klingelte am nächsten Morgen um 6 der Wecker und es ging
auf zu einem 2-stündigen „Herbal-Walk“ (Kräuter-Spaziergang) in die freie
Natur, was aber nach einer Woche Bangalore doch sehr angenehm war.
Anschließend begann dann schließlich der vermeidlich
offiziellere Teil unserer Reise. Es stellte sich aber heraus, dass das Ziel der
Agastya-Leute in erster Linie darin bestand einige Versuche mit den
Bosch-Leuten auszuprobieren. So bastelten wir zum Beispiel Fallschirme aus
Zeitungen für rohe Eier, die wir dann von Dach warfen oder versuchten mit
geschlossenen Augen und nur Tiergeräusche von uns gebend den „Rest der Herde“
ausfindig zu machen.
Auch der Campus mit den zahlreichen Experimenten wurde von
uns aufs Gründlichste untersucht, bevor es nach einer kleineren
Baumpflanzaktion wieder in Richtung Bangalore ging. Während ich dann doch von
Wochenende etwas platt war, hatten die Inder offensichtlich noch genug Power wieder
lauthals das erste Lied anzustimmen, bevor überhaupt die Bustür ganz zu war…
Insgesamt war es ein absolut spannendes und beeindruckendes
Erlebnis, weniger wegen dem Ausflugsziel, als vielmehr wegen der Möglichkeit so
viele Inder kennenzulernen und auf einmal mittendrin sein zu können. Eine
solche Gruppendynamik und die positive Stimmung der Leute habe ich so selten
erlebt. Das war für mich insofern unheimlich spannend, da rein gar nichts von sozialen
Spannungen aufgrund der geographischen Herkunft, irgendeiner „Kaste“ oder des Geschlechts
zu spüren war. Vielmehr war einfach ein bunter Haufen alter und junger Frauen
und Männer sowie hochqualifizierter Ingenieure und einfacher Fabrikarbeiter
unterwegs, hatten Spaß und das gemeinsame Bedürfnis sich freiwillig für wenig privilegierte
Kinder einzusetzen.
Ein Trip, der mich sicherlich noch einige Zeit begleiten
wird und (zum Glück) viele meiner „Vorurteile“ direkt in der ersten Woche über
den Haufen geworfen hat.
So, das wars an der Stelle von mir. Danke für euer Interesse
und herzliche Grüße aus Indien,
Claudius